Nutria - Vermehrung, Bejagung und Nutzung
Jäger, Präparator und Ausbilder für die Jungjägerprüfung - Andre Westerkamp aus Barßel engagiert sich seit Jahren in der Bejagung der Nutria. Für die Blattzeit hat er seine Erfahrungen mit der invasiven Art zusammengefasst.
Bejagung
Die Bejagung der Nutria (Myocastor coypus) erfolgt größtenteils mit geschlossenen Lebendfallen in Ufernähe. Geeignet sind dafür Fallen, die teilweise mit Ködern ausgestattet sind. Der direkt am Gewässer platzierte Standort ist nachhaltig über Jahre erfolgreich. Bei starken Populationen wurden bis zu 4 Fänge am Tag verzeichnet. Hierbei werden erfolgreich Kunststoffrohrfallen von 1 m, 1,5 m und 2 m Länge eingesetzt. Bauartbedingt können sich die Tiere in diesen Lebendfallen nicht verletzen und sind zudem vor Lichteinfall geschützt.
Führende Muttertiere nehmen die Fallen nicht an, da sie das Umfeld der Bauten mit den Jungen nicht verlassen. Werden die Tiere selbstständig, sind insbesondere Fänge von wandernden Nutria (zwischen 6- 10 Monaten) vermehrt in den Lebendfallen zu verzeichnen.
Ist die Bejagung der Nutria mit Lebendfallen erfolgreich, zeigt sich der Bisam wieder in frei gewordenen Revieren. Zudem sind weitere invasive Arten wie Waschbär, Marderhund und Mink ebenfalls im Lebensraum der Nutria anzutreffen. Das Vorkommen der Otter (Lutra lutra) und Biber (Castor fiber) hat sich wieder stabilisiert. Diese beiden Arten, sollte sich ein Fang einstellen, werden umgehend freigelassen. Auch der unter Schutz stehende Europäische Nerz (Mustela lutreola), eine der gefährdetsten Säugetierarten, wird durch die Fangaktionen nicht bedroht.
Bleibt die Bejagung der invasiven Arten Nutria und Bisam aus, kommt es zu gravierenden Veränderungen an den Wasserläufen und den angrenzenden Deichen.
Die Erfahrung der letzten 10 Jahre hat gezeigt, dass lebend unversehrt fangende Kunststoffrohrfallen für den Fang invasiver Arten sehr effizient eigesetzt werden können. Entsprechend der bestehenden gesetzlichen Auflagen werden Arten, die nicht bejagt werden, unversehrt wieder freigelassen.
Die Fallenjagd ist nur von versierten Fachleuten zu betreiben. Jägerinnen und Jäger müssen diese Qualifikation schon jetzt mit einem separaten Sachkundenachweis, dem sogenannten Fallenschein, nachweisen. Der Einsatz von elektronischen Meldesystemen ermöglicht es, sicher und tierschutzgerecht Fangjagd flächendeckend in den Jägerschaften durchzuführen. Ein entsprechendes Prädationsmanagment ermöglicht es, genaue Angaben über die Fänge zu veröffentlichen.
Die Forderung, grundsätzlich Nutria aus dem Jagdrecht zu nehmen, ist nicht zielführend. Nur die Bejagung durch die ortsansässigen Revierinhaber wird das Vorkommen der Nutria deutlich reduzieren.
Vielmehr sollte es durch eine gesetzliche Verordnung zusätzlich flächendeckend möglich sein, Bisam unbürokratisch mitzubejagen. Die seinerzeit angestrebte Lösung, dass Schädlingsbekämpfer diese Aufgaben übernehmen, bzw. übernommen haben, führt zu erheblichen Konflikten im Tierschutz.
Die Bejagung invasiver Arten ist und bleibt Aufgabe von Fachleuten. Eine weitere Zertifizierung oder Weiterbildung durch Sachkundelehrgänge der Jagdscheininhaber ist Aufgabe der Jägerschaften, die dies bereits sehr erfolgreich umsetzen.
Vermehrung
Nutria paaren sich über das ganze Jahr hinweg. Die Weibchen sind alle 26 Tage fruchtbar. Die Tragezeit beträgt 128 bis 135 Tage. Es sind somit bis zu 2,7 Würfe pro Jahr möglich. Die Würfe sind allerdings stark von klimatischen Bedingungen abhängig.
Die Nutria kommen behaart und komplett ausgestattet mit Nagezähnen und 2 Backenzähnen zur Welt. Sie sind bereits wenige Tage nach der Geburt ohne Muttermilch überlebensfähig.
Die Wurfgröße liegt bei jungen Nutria zwischen 1 und 5 Jungen, bei älteren Weibchen bis zu 13 Tieren. Bereits nach dem 3. Lebensjahr nimmt die Wurfgröße bereits wieder ab. In der Regel werden Nutria nicht älter als 4 Jahre.
Nutzung
Eingeführt nach Deutschland wurden Nutria vorwiegend zur Nutzung der Pelze. Aktuell steht mehr denn je die Gewinnung von Wildbret im Fordergrund - ein schmackhaftes, helles Fleisch. Auch bei der Jagdhundausbildung werden für Schleppen bereits Nutria eingesetzt.
Andre Westerkamp
Steckbrief Nutria
Die Nutria (auch Biberratte genannt) wurde von Menschenhand aus Südamerika zu Pelzzwecken nach Europa eingeführt. Die Art ist mittlerweile bundesweit verbreitet.
Aus ersten Farmen in Europa brachen ca. 1890 die ersten Nutria aus und verbreiteten sich daraufhin in der freien Wildbahn. Im Jahr 1949 gab es in der ehemaligen DDR bereits über 2700 Farmen. Nach der Wende im Jahr 1989 wurden viele Betriebe aufgegeben, was zu einer verstärkten Population in der freien Wildbahn geführt haben dürfte. Insbesondere über die Elbe wurde die Verbreitung festgestellt. Zudem wurden auf privaten Teichen und Gewässern Nutria gehalten, um diese von Wasserpflanzen und Algen zu befreien. Auch dadurch gründeten sich vielfach Kolonien in den einzelnen Revieren in Deutschlands.
Nutrias richten u.a. erhebliche Schäden an Deichen und Flussufern an. Die Bauten der Nutria werden oberhalb der Wasseroberfläche gegraben, was zu erheblichen Problem im Deichschutz führt. Mit dem gleichzeitigen Vorkommen der Bisam (Ondatra zibethicus), die den Zugang grundsätzlich unter der Wasseroberfläche graben, ist ein erheblicher Aufwand notwendig, die Wasserläufe und angrenzenden Deiche auch bereits bei geringfügigen Zahlen beider Arten zu schützen und instand zu halten.
Setzt eine Schneelage mit Frostgraden ein, ist die Sterblichkeit der Art enorm. Die Jungtiere verenden zuerst, da die Schwänze und Teilbereiche der Extremitäten abfrieren und das Tier aufgrund der Entzündung verendet. Langanhaltende Frostperioden können zu einer Löschung der gesamten Population führen.
Überwiegend sind die Nutria Pflanzenfresser. Sie verzehren jedoch auch Muscheln und Schnecken. Insbesondere Teichmuscheln, aber auch Bachmuscheln werden gefressen und teils im Bestand ausgelöscht.
Besonders stehen Süßwasser-Muscheln auf dem Speiseplan. Nutria tragen erheblich mit dazu bei, dass in vielen Flussläufen deutliche Bestandsminderungen der Muscheln eingetreten sind. Süßwassermuscheln sind gesetzlich über die Bundesartenschutzverordnung (BAV) geschützt.
Durch die enorme Verbreitung der Nutria ist bereits heute eine erhebliche Beeinträchtigung der natürlichen Vorkommen der Muscheln festzustellen. Fraßreste an den Ufern sind dafür ein deutlicher Beleg.
Nurias können eine Größe von bis zu 65 cm Gesamtlänge erreichen, das Körpergewicht beträgt in Ausnahmefällen bis zu 12 kg. In der Regel liegen die bislang im Revier gefangenen Nutria im Schnitt bei 5,8 kg.
Entwicklung der Nutriapopulation in Niedersachsen
In Niedersachsen ist die Anzahl der Reviere mit einem Nutriavorkommen, das belegen die Daten aus der Wildtiererfassung Niedersachsen (WTE), von 542 im Jahr 2003 auf 3.981 im Jahr 2023 angestiegen – mit einem zwischenzeitlichen Hoch von 4.016 Revieren im Jahr 2021. Der prozentuale Anteil von Revieren mit Nutriavorkommen stieg somit von 7 % auf 55 %.
Die Jagdstrecke für das Jagdjahr 2023/2024 weist mit insgesamt 44.961 (inkl. Fallwild) Nutrias eine Zunahme gegenüber dem Vorjahr auf und erreichte damit einen neuen Höchstwert.
(Quelle: Wild und Jagd – Landesjagdbericht 2023/2024. Niedersächsisches Ministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz (Hrsg.), Hannover, S. 108,109.)
Andre Westerkamp
...geboren 1963, ist seit dem Kindesalter leidenschaftlicher Tierbeobachter und sammelte früh Erfahrungen mit der Jagd. Aus der Begeisterung für die Jagd wurde ein Beruf, ab 1980 machte Westerkamp eine Ausbildung zum staatl. geprüften Tierpräparator. Durch den Beruf entstand die Passion, die Fallenjagd zu schulen und neue Modelle zu entwickeln. Legendär ist Entwicklung der Westerkamp Kastenfalle, aus der später die Marke WeKa gegründet wurde. Mit den zahlreichen, eigenen Fallentypen und deren tierschutzkonformer Weiterentwicklung hat Westerkamp der Fallenjagd in Deutschland entscheidende Impulse verliehen. Heute ist er Hauptberuflich für die Firma Heintges-Lehr- und Lernsystem im Bereich der Ausbildung tätig und gibt Seminare und Vorträge zum Thema Fangjagd und Jungjägerausbildung.